Kapitel 4

„Eros, bitte!“ Ihre Stimme zitterte, während sie versuchte, die Situation zu begreifen. Ihr Bruder war ihre Verantwortung. Sie hatte ihn praktisch großgezogen, nachdem ihre Eltern gestorben waren – sie war neunzehn und Daniel erst vierzehn gewesen.

Jetzt war er ihre einzige lebende Familie. Sie kämpfte gegen die Tränen an, die bittere Erkenntnis setzte ein, dass sie vielleicht versagt hatte, ihn zu einem guten Menschen zu erziehen. 'War es etwas, das ich getan habe, das ihn zu einem Dieb gemacht hat?'

„Du kannst das nicht tun, Eros. Bitte!“ Ihr Flehen war dringend, bereit, alles zu tun, um Daniel zu retten. Er war erst vor ein paar Wochen achtzehn geworden; er war noch ein Junge mit seiner ganzen Zukunft vor sich. Wie konnte sie zusehen, wie seine ganze Zukunft zerstört wurde?

'Er sollte im Herbst mit dem Studium beginnen.' Ihre Hände zitterten, nicht nur wegen des emotionalen Aufruhrs, sondern auch wegen der Wärme der Kaffeetasse, die sie umklammerte, um irgendeinen Anschein von Trost zu finden.

„Warum zum Teufel nicht?“ Eros antwortete, das Gift in seinem Ton, das seine Worte während dieses Gesprächs gefärbt hatte. „Gib mir einen Grund! Einen einzigen guten Grund, warum ich diesen Bastard nicht verhaften und irgendwo in ein Bezirksgefängnis werfen lassen sollte?“

Für einen Moment blickte Anna leer auf den bitteren Mann vor ihr, öffnete und schloss dann schnell ihren Mund, während sie versuchte, etwas zu sagen.

Aber ihr fiel nichts ein. Was konnte sie außer „Er ist mein Bruder!“ sagen?

„Und wer bist DU, Anna?“ Eros lachte kurz. „Seit dem Moment, in dem wir uns heute getroffen haben, hast du dich geweigert, als ‚meine Frau‘ bezeichnet zu werden. Warum sollte dein Bruder – dieser kleine Mistkerl – mir etwas bedeuten?“

Wieder einmal war Anna sprachlos, starrte den Mann an, der einst ihr Partner war und nun anscheinend darauf aus war, ihr Leben zu zerstören.

„Nach allem, was du mir angetan hast, während unserer Ehe...all den Dingen, die ich durchgemacht habe, kannst du diese EINE Sache nicht loslassen? Nur dieses eine Mal? Ich – ich verstehe, dass du viel Geld bezahlen musstest, um diese Ringe zurückzubekommen, und – und ich verspreche, es zurückzuzahlen...“ Sie schluckte die Galle hinunter, die ihr in den Hals gestiegen war, und sah flehend zu dem kalten, harten Mann vor ihr.

„Ich werde die Wohnung verkaufen, wenn ich muss, und es gibt noch etwas Geld aus der Lebensversicherung meines Vaters, das eigentlich für Daniels Studienfonds gedacht war, aber –“

'Bang!' Anna blickte von ihrer Kaffeetasse auf, das Geräusch war das seiner Faust, die auf das harte Holz des wackeligen rosa Tisches schlug, an dem sie gesessen hatten. „Glaubst du wirklich, ich bin wegen des Geldes hier, Anna?“ donnerte er und zog damit die Aufmerksamkeit jeder einzelnen Person in ihrer Umgebung auf sich.

„Dieser kleine Mistkerl hat dich schon seit vielen Jahren an der Nase herumgeführt!“ Er sprach mit kaum unterdrücktem Zorn in seiner Stimme. „Er hängt mit Drogendealern, Schlägern und was weiß ich nicht alles herum. Aber du verschließt deine Augen fest vor der dunklen Seite deines Bruders und tust so, als wäre nichts falsch mit ihm! So wie er sich entwickelt hat, war das unvermeidlich...“

„Das stimmt nicht!“ schrie Anna, diesmal liefen die Tränen endlich über ihre weichen Wangen, bevor sie sie aggressiv wegwischte.

„Vielleicht war es ein Notfall und er brauchte das Geld...“

„Und vielleicht leben Lilliputaner im Erdinneren“, schnappte Eros mit vor Sarkasmus triefender Stimme zurück. „Akzeptiere es einfach, Anna, dass dein kleiner Bruder nicht mehr das unschuldige Kind ist, das du gekannt und geliebt hast. Er hat sich verändert!“

„Zum Schlechteren“, beendete Anna den Satz. Eine düstere Stille legte sich um sie, während sie beide voneinander wegsahen.

Anna begann langsam zu realisieren, dass Eros Kozakis vielleicht recht hatte, dass es vielleicht an der Zeit war zu akzeptieren, dass Daniel, der kleine Junge, den sie so sehr geliebt und geschätzt hatte, nun verloren war!

Eros wusste, dass seine Frau Daniel mehr liebte als jeden anderen auf dieser Welt und dass dies sie verletzen würde, aber so konnte es nicht weitergehen. Jemand musste sie aufwecken und ihr die Wahrheit zeigen, bevor es zu spät war.

„I-Ich werde dir das Geld für die Ringe zurückzahlen. Ich verspreche es.“ sagte sie schließlich nach der langen Stille. „Und ich werde auch mit Daniel reden. Ihm klar machen, dass das, was er getan hat, abscheulich war, dass es ihn in große Schwierigkeiten bringen würde-“

„Und lass mich raten... nachdem du dieses ernste Gespräch mit ihm geführt hast, wirst du ihn einen kleinen Finger Schwur machen lassen, dass er nie wieder so etwas Abscheuliches tun wird, sonst wird er Hausarrest bekommen!“ Eros lachte, und der Klang rieb rau an Annas Haut.

„Dann sag DU mir – Was soll ich tun?“ schrie sie. „Soll ich die Polizei ihn ins Gefängnis schleppen lassen und zusehen, wie sein Leben vor meinen Augen zerstört wird?“ Tränen liefen ihr nun frei über das Gesicht und sie konnte sich nur vorstellen, wie erbärmlich sie in seinen Augen aussah.

Wieder dehnte sich eine lange Stille zwischen ihnen, während sie beide wegsahen. Anna senkte den Kopf und betrachtete die verschwommene Form der Kaffeetasse durch ihre tränenverschleierten Augen, während Eros den dunklen Himmel draußen ansah, als sich eine düstere Entschlossenheit auf seinen Zügen abzeichnete.

„Wenn du nicht willst, dass die Polizei involviert wird, dann gut. Ich werde mich selbst um Daniel kümmern!“ Durch den Schleier des Elends hörte Anna diese Worte und riss den Kopf hoch, um ihm ins Gesicht zu sehen.

„Was meinst du damit, du wirst dich um ihn kümmern?“ fragte sie, während ihr noch eine andere Art von schrecklichen Szenarien durch den Kopf schossen.

„Mach dir keine Sorgen, glykia mou, ich werde ihm nichts antun.“ sagte er mit einem selbstironischen Lächeln. „Aber ich werde ihn zur Arbeit schicken, damit er mir das Geld zurückzahlen kann, das er mir schuldet, und vielleicht endlich lernt, wie man ein verantwortungsbewusster Erwachsener wird.“

„Und-Das würde bedeuten, dass du die polizeilichen Ermittlungen einstellen wirst?“ fragte Anna, während ihr Herz vor Hoffnung anschwoll und ihre Finger hinter ihrem Rücken gekreuzt waren. „Er wird nicht ins Gefängnis kommen?“

Eros nickte ernst, als er sah, wie seine Frau endlich erleichtert aufatmete, wohl wissend, dass diese kurze Atempause bald vorbei sein würde.

„Aber ich habe eine Bedingung....“ sagte er gedehnt und wartete, bis seine Frau ihn wieder ansah, bevor er fortfuhr. „Du musst zu mir zurückkommen, glykia mou, als meine Frau – zurück in mein Bett!“

Und plötzlich, mit einem lauten Grollen, brachen die Wolken auf. Der Regen prasselte auf alle armen Seelen herab, die das Pech hatten, unter dem offenen Himmel zu stehen.